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medien:suedweststachel:027-09

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Walter Linse - Ein ehrenwerter Lichterfelder?

Spontan versammelten sich 25000 Berliner am 8. Juli 1955 vor dem Rathaus Schöneberg. um gegen die Entführung von Walter Linse zu protestieren. Am Morgen desselben Tages wurde der Jurist vor seinem Haus in der Lichterfelder Gerichtsstraße von der Stasi entführt. Linse wurde in einen als Taxi getarnten Opel Kapitän gezerrt. Der Wagen brauste über den heutigen Ostpreußendamm nach Teltow. Über Hohenschönhausen wird Linse nach Moskau gebracht, dort angeklagt, zum Tode verurteilt und am 15.12.1953 hingerichtet. Walter Linse war seit 1950 beim Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen tätig. Er beriet Gewerbetreibende aus der DDR. Die Entführung, bei der Linse durch einen Beinschuss verletzt wird, erregte weltweites Aufsehen. Am 1. Oktober 1961 wurde die Gerichtsstraße in Erinnerung an den Juristen nach ihm benannt.

Eine weitere Ehrung sollte in diesem Jahr folgen. Die Gedenkstätte Hohenschönhausen wollte den „Preis für beispielhafte Leistungen bei der öffentlichen Auseinandersetzung mit kommunistischem Unrecht“ nach Linse benennen.

Linses Werdegang schien dafür zu sprechen. Im von dem damaligen Volksbildungsstadtrat (heute Staatssekretär) Thomas Härtel herausgegebenen Büchlein „Berühmt – bekannt – vergessen – Persönlichkeiten auf Straßenschildern in Steglitz“ wird suggeriert, dass Linse ein Nazigegner war. „Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Austritt aus dem Justizdienst,…, Geschäftsführer der IHK in Chemnitz“ heißt es dort über ihn. Der für die „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ arbeitende Historiker Klaus Bästlein hat in einer für das „Landesamt für die Stasi-Unterlagen“ anderes festgestellt. Linse ist am 01.10.1940 in die NSDAP eingetreten. Schon seit 1938 und mindestens bis 1941 war er maßgeblich an der Arisierung und Enteignung jüdischer Betriebe in Chemnitz beteiligt. Über 300 Betriebe wurden von ihm liquidiert.

Falls sich die Vorwürfe bestätigen sollten, müsste auch über den Straßennamen nachgedacht werden. Die Entführung ist durch nichts zu entschuldigen, ob daraus eine Ehrung folgen sollte, erscheint fraglich.

~~UP~~

von Andreas Koska

erschienen im Suedweststachel Nr. 27 (PDF), Seite 9, Winter 2007

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